Signal für mehr Vielfalt an Schulen

Mit einer Tagung haben im Oktober 2015 etwa 170 Fachleute aus Wissenschaft und Schule ein Zeichen für Vielfalt gesetzt. Die Konferenz des Niedersächsischen Kultusministeriums und der Universität Hildesheim bildet zugleich den Auftakt für die Orientierungstage „Vielfalt im Klassenzimmer = Vielfalt im Lehrerzimmer“.

An den Standorten Braunschweig, Göttingen, Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Oldenburg und Osnabrück bieten die Universitäten und Studienseminare in den nächsten Monaten regionale Orientierungstage an, um Jugendliche – insbesondere mit Migrationsbiographie – für das Thema „Vielfalt an Schulen“ zu sensibilisieren und für den Berufswunsch Lehramt zu interessieren. Lehrerinnen und Lehrer, sagt Professorin Viola Georgi von der Universität Hildesheim, spielen eine Schlüsselrolle für „gelingende Bildungsintegration, denn sie können ganz maßgeblich zum Wohlbefinden und zum Bildungserfolg ihrer Schüler beitragen“. Nur knapp fünf Prozent der Lehrerinnen und Lehrer haben selbst einen Migrationshintergrund.

Das Ungleichgewicht setze sich im öffentlichen Dienst weiter fort, sowohl in Behörden als auch bei der Polizei, sagt die Niedersächsische Landesbeauftragte für Migration und Teilhabe, Doris Schröder-Köpf. Dies müsse sich ändern. „Oftmals fehlt es an umfassenden Kenntnissen über Bildungswege und Berufsmöglichkeiten. Hier müssen wir ansetzen, Öffentlichkeit herstellen und für das Thema sensibilisieren“, so Doris Schröder-Köpf.  „Mit der Fachtagung und den Orientierungstagen unterstreichen wir, dass die interkulturelle Öffnung von Schulen wichtig ist“, sagt Claudia Schanz, Referatsleiterin im Niedersächsischen Kultusministerium. „Wir wollen dazu beitragen, dass Bildungserfolg unabhängig von Herkunft gelingen kann. Und wir wollen die Vielfalt im Klassenzimmer auch im Lehrerzimmer erreichen, denn wir wissen, dass Schülerinnen und Schüler mit Migrationsbiographie am Ende der Schulzeit oft andere Berufsinteressen haben, als den Lehrerberuf. Deshalb werben wir aktiv dafür. Sie haben aufgrund ihrer Lebensbiographie ein vertieftes Verständnis für die Lebenswelt der Jugendlichen. Sie sollen aber zuallererst gute Lehrer sein und nicht auf diese Rolle als Brückenbauer festgelegt werden.“

Welche Rolle nehmen Lehrkräfte in der Schule ein, deren Familien zum Beispiel nach Deutschland eingewandert sind, die selbst mehrsprachig aufgewachsen sind oder im Ausland unterrichtet und interkulturelle Erfahrungen gesammelt haben? Die Erziehungswissenschaftlerin Yvonne Rechter von der Universität Hildesheim betont, dass die Mehrsprachigkeit, die viele Lehrkräfte mitbringen, ein großer Vorteil für das Unterrichten heterogener Schulklassen sei. Letztlich müssten aber alle Lehrkräfte – unabhängig von ihrer Herkunft – lernen, wie sie mit Vielfalt umgehen, sagt Rechter. Sie fördert Lehramtsstudierende beim Sammeln von zusätzlichen Praxiserfahrungen im Studium. In Hildesheim unterstützen Studierende im Projekt „LernKU(h)LT“ seit 2006 Kinder unterschiedlicher Herkunftssprachen im Team. Zwei Mal in der Woche lernen sie gemeinsam in einer Kleingruppe und halten Kontakt zu den Eltern und Lehrkräften. Claudia Schanz berichtet von einem Netzwerk, in dem sich etwa 300 Lehrkräfte mit Migrationsgeschichte engagieren. Erfreulich sei, so Schanz, dass „immer mehr auch Funktionen einnehmen, die Schulleitung übernehmen und im Karriereweg aufsteigen“. „Die Lehrkräfte gehen in Schulen und werben aktiv für den Lehrerberuf“, so Schanz. Das Niedersächsische Kultusministerium stellt für das „Migranetz“ personelle Ressourcen zur Verfügung.

Auf der Tagung haben sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch mit dem Themenfeld „Bildungswege nach der Flucht“ befasst. Derzeit werden viele Kinder und Jugendliche, die eine Flucht hinter sich haben, in sogenannten Willkommens-, Sprachlern- oder Migrationsklassen – die Bezeichnung variiert je nach Bundesland – auf den Schulalltag in Deutschland vorbereitet. Wie unterstützen Schulen und Bildungseinrichtungen Kinder und Jugendliche bei diesem Übergang? „Vielerorts – besonders in den Städten – klappt das gut, weil Schulen in Deutschland vielfältige Erfahrungen im Umgang mit migrationsbedingter sozialer, kultureller und sprachlicher Vielfalt gesammelt haben. Aber es gibt auch Schulen, die überfordert sind, weil ihnen Personal fehlt, Sozialarbeiter, Psychologen und Dolmetscher etwa, die gerade dringend gebraucht werden“, sagt Professorin Viola Georgi, die am Zentrum für Bildungsintegration der Universität Hildesheim über „Schule in der Einwanderungsgesellschaft“ und „Bildungschancen“ forscht. „Je eher die Kinder und Jugendlichen wieder einen strukturierten Alltag erleben, umso besser“, so Prof. Viola Georgi. Sie sind in der Schule unter Gleichaltrigen, lösen Aufgaben gemeinsam, sie spielen zusammen Fußball, gehen ins Theater oder besuchen den Zoo. Der Schulalltag mit all seinen Routinen hilft dabei, sich in der neuen Gesellschaft zu orientieren und entlastet auch die Eltern.

Die Tagung des Niedersächsischen Kultusministeriums und der Universität Hildesheim wurde vom Niedersächsischen Sozialministerium gefördert. Beteiligt sind unter anderem das Zentrum für Bildungsintegration, das Centrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung und das Institut für Erziehungswissenschaft.

Jetzt anmelden: Orientierungstage / Ministerium und Universität werben für mehr Vielfalt im Lehrerzimmer Die Initiative des Niedersächsischen Kultutsministeriums kommt auch nach Hildesheim: An der Universität Hildesheim und an Schulen finden die Orientierungstage „Vielfalt im Klassenzimmer = Vielfalt im Lehrerzimmer!“ am Samstag, 16. Januar 2016, und am Donnerstag, 21. Januar 2016, statt. Der zweitätige Kompaktkurs gibt Einblicke in das Lehramtsstudium und zeigt die Chancen des Lehrerberufs. Schülerinnen und Schüler von der 11. bis 13. Klasse können sich bis zum 12. Dezember 2015 bewerben. Das Angebot richtet sich vor allem an junge Menschen mit Migrationsbiographie. Weitere Informationen zur Teilnahme: www.uni-hildesheim.de/vielfalt/

 

 

 

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