SVR-Jahresgutachten vorgestellt: „Viele Götter, ein Staat: Religiöse Vielfalt und Teilhabe im Einwanderungsland“

Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) hat heute in Berlin sein siebtes Jahresgutachten „Viele Götter, ein Staat: Religiöse Vielfalt und Teilhabe im Einwanderungsland“ vorgestellt. 

Das Gutachten analysiert den staatlichen Umgang mit religiöser Pluralität im Einwanderungsland Deutschland. Im Zentrum stehen Fragen zu zentralen politischen Herausforderungen: Wie sollten Politik und Recht auf den gesellschaftlichen Doppeltrend aus Säkularisierung und religiöser Pluralisierung in Deutschland angemessen reagieren? Wie kann eine Balance gefunden werden zwischen den unterschiedlichen Interessen von staatlicher Seite, Religionsgemeinschaften, Gesellschaft und nicht zuletzt des gläubigen Individuums? Im diesjährigen Sonderteil zu Migration und Entwicklung geht es um ein angesichts der flüchtlingspolitischen Krise hoch relevantes Thema: das Verhältnis von Migration und sozioökonomischer Entwicklung in den Herkunftsräumen.

Zentrale Ergebnisse:

  • Der deutsche Weg einer ausgeprägten Religionsfreundlichkeit hat sich im Großen und Ganzen bewährt. Religionsgemeinschaften werden weitreichende Möglichkeiten eingeräumt, sich im öffentlichen und auch im staatlichen Raum zu entfalten. Dieses Modell einer positiven Neutralität wird auch dafür sorgen, dass die rechtliche Integration des Islam als der mit Abstand größten neu hinzugekommenen Religion tendenziell gelingen wird bzw. in Teilen bereits gelungen ist.
  • Allerdings können die religionspolitischen Strukturen in einem religiös vielfältigen und säkularen Deutschland in einzelnen Bereichen auch zu Normenkollisionen und Interessenskonflikten führen. Dies gilt etwa für das kirchliche Arbeitsrecht, das Religionsgemeinschaften gegenüber dem allgemeinen Arbeitsrecht weitgehende Sonderrechte einräumt sowie den Aufbau einer islamischen Theologie an deutschen Hochschulen, in deren Rahmen die Wahrnehmung eingeräumter Mitspracherechte durch Verbände mit der Wissenschaftsfreiheit in Konflikt treten kann. Bei entsprechenden Fragen muss grundsätzlich abgewogen werden zwischen theologischer Relevanz und gesamtgesellschaftlich und demokratisch Akzeptablem, denn die Anerkennung von Verschiedenheit darf das Primat der demokratischen Grundwerte nicht schwächen.
  • In der öffentlichen Debatte erfährt die Bedeutung von Religion für die Integration von Zuwanderern in Deutschland seit Jahren hohe Aufmerksamkeit. Das Gutachten zeigt: Die Rolle von Religion für die Integration wird in der Debatte ‚doppelt überschätzt‘: Zum einen existieren keine systematischen Belege dafür, dass Religion bzw. individuelle Religiosität grundsätzlich die Teilhabe an Bildung und am Arbeitsmarkt erschwert. Zum anderen zeigt die empirische Forschung, dass Unterschiede im Integrationserfolg zwischen verschiedenen religiösen Gruppen nicht in erster Linie auf Diskriminierungen aufgrund der Religionszugehörigkeit zurückzuführen sind. Der zentrale Erklärungsfaktor für Erfolg und Misserfolg im Bildungssystem und darüber vermittelt auch am Arbeitsmarkt ist und bleibt der soziale Hintergrund.
  • Der Sonderteil zu Migration und Entwicklung macht deutlich: Ein klug konzipiertes Migrationsmanagement, bei dem außen-, arbeitsmarkt- und entwicklungspolitische Überlegungen ineinandergreifen, ist notwendiger denn je. Von einer solchen konsequenten Verknüpfung sind die EU und ihre Mitgliedstaaten allerdings weit entfernt. Dies ist gerade angesichts der akuten Flüchtlingskrise eine paradoxe (Fehl-)Entwicklung, weil die viel beschworene ‚Bekämpfung der Fluchtursachen‘ eigentlich eines umfassenden Migrationsmanagements im Sinne des Zusammendenkens von Migration und Entwicklung und ihrer Erhebung zur Chefsache bedarf.

Abrufbar ist die Studie unter: www.svr-migration.de/jahresgutachten/

Text: Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) GmbH

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